*Edit: Das ist schon die verbesserte Version, mit den Fehlerbehebungen, die mir
Egoliquida mit ihrem umfassenden Feedback vorgeschlagen hat. Danke nochmals (:*
Wir hatten ja letze Woche eine Umfrage gestartet, in der wir fragten, ob ihr vielleicht eine Leseprobe meiner Geschichte sehen wollt.
Es war ziemlich eindeutig:
22 Leser wollten eine sehen!
Deswegen habe ich mir gedacht, ich poste mal das erste Kapitel ;)
Eins
Felix
Jeden Morgen die Augen zu öffnen ist eine große Aufgabe, die uns Gott verliehen hatte, als wir noch nur ein Grundgerüst für eine Verpackung für sein wertvolles Leben waren. Das zumindest hatte mir mein Vater immer beigebracht. Ich glaubte ihm einfach alles. Zumindest, als ich noch klein war. Mit dem Alter kam dann der Glaube daran, dass die Eltern einfach nichts wussten. Wie bei jedem Teenager eben. Mit siebzehn Jahren aber, da denkt man sich dann doch, dass diese alte Herren und Damen mehr wussten als man selbst. Aber sicher noch nicht alles. Man hörte aber trotzdem nicht auf sie, weil man selber Fehler begehen musste, die man dann den ungläubigen und sturen Kindern erzählen dürfte. Diese Geschichte hier handelte von meinem größten Fehler, weil ich nicht auf meinen Vater hörte. Doch hätte ich diesen Fehler nie begangen, dann wäre ich wohl nie in dieser glücklichen Lage…
"Felix?", fragte meine Mutter vorsichtig ins Zimmer. Sie wusste, dass es mir in letzter Zeit ziemlich scheiße ging und ich deshalb nicht gut auf sie oder sonst jemand zu sprechen war. Sie wusste natürlich auch nicht, wie ich mich fühlte. Immerhin war sie schon ihr ganzes Leben lang mit meinem Vater zusammen. Und ich wurde gerade vor zwei Tagen von meiner Freundin verlassen. Na ja. Jetzt war sie ja meine Ex-Freundin.
"Mh!", brummte ich meine Mutter an und sie schloss die Tür. Widerwillig setzte ich die Füße auf den Boden und blinzelte verschlafen in mein noch dunkles Zimmer. Meine Mutter wird es jetzt wahrscheinlich Vater erzählen und dann würde dieser hereinstürmen, die Vorhänge aufreißen und mich anschnauzen, ich solle gefälligst nicht so ein Arschloch sein. Hatte ich ja noch nie gehört. Nur bereits von Clara, meiner Ex. Sie hieß eigentlich Clarissa, aber sie wollte immer nur Clara genannt werden.
Als ob ich es vorausgesehen hätte, kam mein Vater in diesem Moment hereingestürmt.
"Auf jetzt!", knurrte er und riss, wie erwartet, die Vorhänge auf. Ich blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht, in dem sich der Schatten meines Vaters abzeichnete.
"Ach, du bist es Gott.", sagte ich sarkastisch. Mein Vater lachte kurz auf.
"Nein, mein Sohn. Ich bin dein irdischer Vater.", scherzte er, tätschelte meine Schulter und ging wieder aus dem Zimmer.
"Du bist mein einziger Vater", brummte ich leise und zog mir ein paar Klamotten über. Irgendwelche einfach. Musste damit eh nur ins Bad kommen. Aber trotzdem... Für wen sollte ich mich schon schick machen? Clara hatte mich schon verlassen und andere Mädchen gab's auf meiner Schule nicht. Zumindest keine Sehenswerte oder Bemühenswerte. Eben nur Cheerleader, Streber, Freaks und die normalen Mädchen. Aber keine war so faszinierend wie Clara. Keine war so vorlaut und doch süß. Ich schüttelte den Kopf, nachdem ich mir meine Haare mit dem Handtuch abgerubbelte hatte. Eine Dusche am Morgen ließ einen sogleich auf andere Gedanken kommen. Meine blauen Augen sahen schlaff und müde aus. Mein dunkles Haar stumpf und fettig. Ich sollte sie wohl mal wieder waschen. Nicht nur immer nässen und dann wieder trocknen. Das lässt meine Chancen auf eine neue Flamme auch nicht höher werden, aber was sollte es schon. Ich wollte Clara, niemand anderen. Und schon wieder war das Thema Clara im Zentrum meiner Gedankengänge. Irgendwie war das ja klar, immerhin waren es gerade mal zw¬¬¬ei Tage seit der Trennung.
"Man hat schon lange Liebeskummer, wenn man verlassen wird.", sagte Mario, "Ist mir zwar noch ned passiert, weil ich’s ned zulasse, aber man munkelts eben."
Ich verdrehte die Augen und lächelte. Mario war mein bester Freund. Der Italo-Boy schlechthin. Macho, eingebildet, dumm. Aber ich fürchte genau deswegen hatte ich ihn ja irgendwie gerne an meiner Seite. Er war zwar das totale Gegenteil von mir, sowohl optisch (unsere einzige Gemeinsamkeit in dieser Hinsicht waren unsere dunklen Haare), als auch charakterlich, aber das als Nachteil zu bezeichnen wäre ungerecht.
"Felix!", rief meine Mutter von unten, "Mario ist da!"
"Ich komme schon.", rief ich etwas zu leise nach unten.
"Felix!", schrie mein Vater wütend, "Du kommst jetzt sofort nach unten."
Ich nahm gerade die letzte Stufe, als mein Vater um die Ecke rauschte.
"Da bist du ja endlich!", sagte er brummig.
"Tut mir leid.", nuschelte ich und packte meine Schultasche auf den Rücken. Als ich die Tür hinter mir schloss, lachte Mario auf einmal.
"Stress mit dem Vater, was?", sagte er mit seiner typischen Machoaussprache. Ich nickte nur etwas bedrückt und starrte niedergeschlagen in seine braunen Augen.
"Alter, nimm's doch ned so schwer.", munterte er mich - irgendwie - auf, "Jeder hat mal Stress mit den Alten."
"Sind deine Alten auch so religiös und christlich wie meine? Und hassen dich, weil dich jemand verlassen hat, den du eigentlich in Gottes Augen heiraten solltest."
"Ich bin Italiener, Mann! Ich denke doch ned ans Heiraten. Wär doch untypisch!"
Ich schüttelte grinsend den Kopf. Mario gab mir einen Schubs und hielt mich dadurch an.
"Was?", zischte ich wütend.
"Ex-Tusse auf drei Uhr du Vollhonk!", maulte mich Mario an. Und tatsächlich. Da stand sie. Die dunkelblonden, fast schon braunen Haare hochgebunden, die Hände tief in ihren Jackentaschen, die ihr leicht zu weit war. Auch wenn sie ihre zierliche Figur versteckte, es war zum Dahinschmelzen. Je länger ich sie so anstarrte, desto mehr verliebte ich mich wieder in sie, was letztendlich nicht gut war.
"Alter! Wenn Ex-Tussen-Alarm ist, dann musst schneller gehen und ned komplett stehenbleiben.", mahnte mich Mario und ich kam aus meiner Trance. Schnell vergrub ich meine Hände tief in meinen Jackentaschen und ballte sie zu Fäusten. Denn neben meine geliebte Clara gesellte sich gerade ihr Ex-Freund, mit dem sie vor mir zusammen war. Dieser Typ mit dem Namen Kelalan Finwe. Komischer Name, ich weiß, aber er hieß wirklich so. Stand sogar in seinem Pass. Er legte einen Arm um ihre Schultern und ich kochte innerlich. Hatte Clara wirklich schon wieder eine neue Beziehung? Ich lief geknickt weiter, Mario stupste mich wieder an.
"Nimm's ned so..."
"Ja klar, Mario!", sagte ich etwas zu aufgebracht. Mario schreckte zurück und sah beleidigt in eine andere Richtung. Typisch italienisch. Wir kamen gerade in der Schule an, als uns Lucas entgegenkam.
"Wir haben eine Neue in der Klasse. Voll hübsch!", sagte er und zeigte auf die Spinte. Wie immer sprach er das „b“ zu hart aus und machte es eher zu einem „p“. Wir grinsten ihm zu und gingen dann zu den Spints.
"Der hat doch 'nen schlechten Geschmack, ned?", fragte Mario abwertend. Ich schüttelte den Kopf.
"Er findet Clara auch hübsch.", verteidigte ich Lucas. Mario schüttelte den Kopf.
"Hol dir was Neues, Mann!", motzte er protzig, "Hast genug Geilheitspunkte, um jedes Mädchen zu haben!"
Ich verdrehte wiederholt die Augen.
"Hab dich ned so, Idioto! Such dir doch so ein geiles und gelenkiges Chearleaderkätzchen. Viel geiler, Mann!"
Ich blickte mich ein wenig um. Auf einmal sah ich ein Mädchen, das von jedem einzelnen kurz angesprochen wurde. Das Mädchen war wohl die Neue, von der Lucas redete. Sie war wirklich hübsch, aber noch lange keine Clara. Obwohl sie, glaube ich, objektiv betrachtet hübscher war, aber ich wollte Clara und deswegen war Clara auch hübscher.
"Woaaaah! Schnapp dir das Kätzchen!", sagte Mario vielsagend. Das Mädchen strich ein paar ihrer langen, blonden Härchen hinters Ohr und grinste zu uns rüber. Ihr Lächeln war süß, aber sie war immer noch keine Clara.
"Ein andermal.", sagte ich abwesend zu Mario und dieser knallte wütend seinen Spind zu.
"Nerv ned, Mann!", sagte er und dampfte ab. Seine normale Reaktion, wenn ich nicht so reagierte, wie er wollte. Aber wenigstens hatte ich jetzt etwas mehr Ruhe, um meine Dinge aus dem Schränkchen zu holen und dann zu gehen.
"Hallo.", hörte ich eine schüchterne und süße Stimme ganz nah an meinem Ohr. Ich schreckte auf und sah direkt in die glasklaren, blauen Augen des neuen Mädchens.
"Hi.", sagte ich kurz angebunden. Das Mädchen trat schüchtern auf den rechten, dann auf den linken Fuß.
"Ich bin..."
"Interessiert mich nicht.", unterbrach ich sie. Ja, das war grob, aber es interessierte mich wirklich nicht. Ich wollte nur Claras Lippen zurück.
"Und du bist?"
"Interessiert dich nicht!", maulte ich wütend und knallte die Tür meines Spintes zu. Das Mädchen schrak zurück.
"Ich heiße trotzdem Dialya Delwath. Also wie heißt du?", erklärte sie mir trotz Desinteresse. Mitleidig strich sie über meine Spinttür, als ob ich gerade einen Hund geschlagen hätte oder so.
"Geht dich nichts an.", brummte ich und nahm meine Schultasche auf den Rücken, "Wohin musst du?"
"Die gleiche Klasse wie du.", antwortete Dialya und ich verdrehte die Augen.
"Du bist interessant.", sagte sie, "Fast wie ein Hund mit Katzenfarben, der in einem zu großen Laufrad rennt und dabei zwitschert wie ein Vogel."
Ich sah sie verblüfft an. Sie kicherte etwas, was mich darauf schließen ließ, dass sie das witzig meinte. Doch meine Worte kamen, bevor ich sie zurückhalten konnte.
"Bist du psychisch labil?", fragte ich sie, selbst erschrocken über die Machoaussprache, wie bei Mario. Dialya biss sich auf die Lippe.
"Sag du es mir.", gab sie zurück. Zuerst war ich irgendwie angetan, es ihr wirklich zu sagen, doch dann beeindruckte mich ihre ruhige Antwort. Ich schüttelte genervt den Kopf und sah auf die Uhr. Ich tat so, als ob ich keine Zeit mehr hätte.
"Felix.", sagte sie und packte meine Jacke. Ich drehte mich entsetzt um und sah wieder in diese blauen Augen, die aussahen, als ob sie aus Glas geformt waren. Sie schliffen das süße Antlitz ihres Gesichts perfekt ab.
"Woher kennst du meinen Namen?", fragte ich sie scharf. Mir fiel gerade auf, dass sie irgendetwas Magisches, Übernatürliches oder gar Außerirdisches an sich hatte.
"Steht auf deinem Ordner, Scherzkeks.", antwortete Dialya kopfschüttelnd, als ob sie meine Frage für richtig dämlich hielt, und zeigte auf den Ordner in meiner Hand. Natürlich. Wie konnte ich auch nur einen Moment an so etwas Banales wie Hellseherkräfte denken? Sie hatte trotzdem etwas Komisches an sich. Auch, weil sie mich die ganze Zeit so ruhig und interessiert ansah. Als wäre sie ein kleines Kind, das sich zum ersten Mal in etwas verliebt.
"Hast du etwas?", fragte ich in die schweigende Ruhe.
"Ich warte auf deine Antwort.", gab sie kurz zurück.
"Antwort? Auf was denn?"
"Bin ich psychisch labil?"
Ich schüttelte erstaunt den Kopf und wandte mich lieber von ihr ab. Langsam wurde das Ganze merkwürdig.
"Wieso gehst du dann?", fragte sie noch bevor ich aber antworten konnte, kam mir Mario zur Hilfe.
"Yo, Felix. Wirklich sorry für vorhin. Weißt eh wie ich bin.", entschuldigte er sich und lehnte sich an die Spinte, "Wer bist denn du?"
Dialya sah Mario verwundert an.
"Dialya.", gab sie knapp als Antwort. Mir hatte sie noch ihren ganzen Namen genannt.
"Freut mich, Dialya!", sagte Mario flirtend, "Mein Name ist..."
"Mario.", unterbrach sie ihn.
"Genau.", grinste dieser, "Woher wusstest du das?"
"Steht auf deiner Jacke."
Für einen kurzen Moment dachte ich schon wieder an das Übernatürliche in ihr, aber sie hatte Recht. Mario trug seine millitärgrüne Lieblingsjacke, auf der Mario in gestickten Buchstaben stand. Ganz einfach, klein und gelb.
"Woher kommst du denn?", fragte Mario und kam Dialya etwas näher. Diese sah aber immer noch mich fasziniert an. Hund im Laufrad. Dialya grinste mich sichtlich amüsiert an.
"Ich komme aus Europa.", antwortete sie, die Augen wieder auf Mario gerichtet.
"Wie wir!", rief er erfreut auf.
"Du bist Italiener, stimmt's?", behauptete Dialya. Mario lachte kurz auf und nickte heftig mit dem Kopf. Ich befürchtete schon, dass ihm sein Kopf gleich abfällt, doch dann hörte er noch rechtzeitig auf.
"Und du?", fragte Dialya dann an mich gerichtet, "Woher kommst du genau?"
"Österreich.", sagte ich. Dialyas Augen leuchteten auf.
"Österreicher.", wiederholte sie langsam und lächelnd, "Ich bin ursprünglich aus Frankreich. Habe aber schon in der Schweiz, Italien, Norwegen, Japan, Australien und auch in Österreich gelebt. Dann zogen wir hier her. Nach Amerika."
Dialya rümpfte die Nase, als ob Amerika der letzte Ort wäre, an dem sie leben möchte.
"Ich lebe schon mein ganzes Leben in Amerika. Ich spreche also kein Österreichisch.", meinte ich etwas beleidigt.
"Ach ja? Muss wohl so sein, denn die sprechen dort Deutsch, nicht Österreichisch", sagte sie spottend.
Mario sah uns beide abwechselnd an. Man spürte die Spannung in der Luft und irgendwie ließ mich der Blick von Dialya nicht mehr los. Er war so ehrlich und doch irgendwie nicht ernst gemeint. Ich entspannte meinen wütenden Blick und sah sie nur noch neutral und mit geöffnetem Mund an.
„Ich…“, stotterte ich, „Amerika ist so oder so besser.“
"Bist du dir da sicher?", fragte sie mit etwas Nachdruck.
"Natürlich.", antwortete Mario für mich. Ich schloss meinen Mund und mein Blick festigte sich etwas.
"Mario, lass uns gehen.", sagte ich zu meinem Kumpel und zog ihn kurz an seiner Jacke. Wir ließen Dialya einfach nur stehen. Ich wusste nicht, was mich jetzt so aus der Fassung brachte, aber ich hatte das Gefühl, dass Dialya kein normales Mädchen war. Vielleicht war ich ja paranoid, aber ich hatte Angst vor dieser Neuen.
Dialya
"Ich bin wieder zu
Hause.", schrie ich, als ich durch die Tür in unser neues Haus trat.
"Ich bin im
Keller.", schrie mein Dad und ich stürmte die Treppen hinunter.
"Hallo, Dad.",
begrüßte ich ihn und setzte mich auf einen kleinen Tisch in seinem Gemälderaum.
Er war gerade dabei, eines seiner neuen Bilder zu Rahmen. Seine flinken Hände arbeiteten
präzise und schnell, deswegen liebte ich es, ihm auch öfters beim Malen selber
zuzuschauen.
"Wie war der erste
Schultag?", fragte er. Ich saß inmitten ganz vieler kunstvollen Gemälde
und Malereien, die mein Dad mit den Jahren gemalt hatte. Jedes Mal, wenn wir
umgezogen sind, suchte er sich ein Haus mit Keller, in dem er seine bisherigen
Gemälde unterbringen konnte. Seit Japan hatte ich auch immer mein Zimmer im
Keller.
"Ganz normal. Wie immer
eben."
Ich konnte jetzt schon sechs
verschiedene Sprachen.
"Wie geht es dir mit dem
Englisch? Sei ja anders hier, als in Australien."
Ganz anders.
"Sie haben einen anderen
Akzent. Etwa so wie die Österreicher. Ich habe heute einen kennengelernt."
Dad sah kurz auf.
"Achso?", sagte er,
als ob er nicht wüsste, was ich meinte. Immerhin sind wir von Österreich nach
Amerika gezogen, weil wir den
Österreicher dort nicht finden konnten.
"Er könnte es sein,
Dad.", sagte ich erwartungsvoll, ob er nun die richtige Reaktion zeigen
würde.
"Nein. Glaub ich eher
nicht.", gab er aber tonlos von sich, "So schnell findest du ihn
nicht."
"Dad. Seine Augen."
Dad sah von seinem derzeitigen
Rahmungs-Projekt auf, wobei er direkt in mein Gesicht sah, welches wütend
dreinblickte.
"Wir sind die letzten
zwei Jahre drei Mal umgezogen, weil ich ihn ziemlich früh gefunden hatte. Er ist es!"
Die letzten drei Worte betonte
ich extra stark, damit auch mein unterbelichteter Dad es endlich wahrnahm.
Trotzdem schmunzelnde er nur und wandte sich wieder seiner Beschäftigung zu.
"Warum musst du nur nach
deiner Mutter kommen.", sagte er, wie schon oft zuvor. Ich stand wütend
auf - wütend über die wiederholte Einsicht, dass es ihm lieber sei, wenn ich
normal wäre oder so - und ging in mein
Zimmer. Träge warf ich mich auf mein Bett und starrte an die Decke.
"Doofer Erzeuger.",
sagte ich leise, "Doofe Mutter-Gene. Doofer Felix."
Ich hatte Felix heute einen
gehörigen Schrecken eingejagt. Vor allem mit dem Hund im Laufrad und dem ganzen
Zeug. Ich fand es witzig, ihn damit ein wenig abzuschrecken. Ich glaube, er dachte
wirklich ich hätte irgendwelche magischen Kräfte. Wenn der wüsste, was ich in
seinen Augen sehen konnte. Ich kannte ihn kaum zehn Minuten und wusste schon,
dass er der Grund sein würde, warum wir ins nächste Land ziehen müssten.
Richtig klar wurde es mir, als ich entdeckte, wie wenig er eigentlich er selbst
war. Im Unterricht war er immer ruhig und tat das, was man ihm sagte. Nie würde
es ihm einfallen zu widersprechen. Er schien ziemlich streng erzogen zu sein,
dabei wollte er einfach mal er selbst sein und aus sich heraustreten. Das sah
ich ihm an, es stand förmlich in seinen Augen und ich konnte gut in Augen
lesen, das wurde mir Jahre lang beigebracht. Den Leuten in seiner Umgebung
würde das aber wahrscheinlich gar nicht auffallen. Nur dieser Mario merkt es
vermutlich. Für ihn war er, denke ich, Felix, der wahre Felix. Für die anderen
spielte er den braven, folgsamen Felix Kehr, aber er war ein anderer.
Seinen Namen prägte ich mir
ein, als ich den Namen auf der Klassenliste sah, die mir unser Lehrer gab.
Mister Chopper. Amerikaner hatten komische Namen.
Aber Felix war kein
Amerikaner. Er war Österreicher, hatte schöne Augen - bekanntlich das Tor zur Seele. Er hatte mittellange,
dunkelbraune Haare, eine gerade, kurze Nase und ansonsten sah er nicht schlecht
aus. Ich meine, er war kein Adonis, aber man konnte ihn schon als hübsch
bezeichnen. Mir gefiel er zumindest. Er hatte helle Haut und sah ziemlich
schlank aus.
Sie hatten mir so viel anderes
noch erzählt über ihn, aber schon bei den Augen wusste ich, dass er es war.
Die Augen der nächsten Seele sind so schön, dass wir den besten
schicken, um sie uns zu holen. Andere würden sich in sie verlieben.
Das hatte das Psentum gesagt.
Ich übernahm diese Seele gerne. Ob er wohl wirklich vor kurzem verletzt wurde?
Oder war ich bei Felix Kehr wohl doch an der falschen Stelle? Ich wälzte mich
auf die Seite und starrte nun die nackte, weiße Wand an. Ich sollte sie
streichen. Auch wenn ich nicht ewig hier leben werde, es könnte noch etwas
dauern. Irgendwie hatte ich das im Gefühl. Er war heute schon sehr abweisend.
Ich schloss kurz die Augen, als ein Klopfen am Kellerfenster mich aufschrecken
ließ.
"Jellybean.",
schimpfte ich, als ich sah, wie meine braune Tigerkatze mit den weißen Söckchen
vor dem Fenster saß und immer wieder die Pfote dagegen hämmerte. Ich öffnete
das Fenster und ließ sie herein. Zufrieden maunzte sie und legte sich flach auf
mein Bett. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
"Jellybean. Wie geht es
dir hier so?", fragte ich sie und strich ihr sanft durchs Bauchfell,
"Ich habe ihn glaube ich eh schon. Gewöhn dich nicht an das alles hier,
ja? Versprichst du mir das, mein Schöne?"
Zustimmend schnurrte Jelly.
Zumindest hoffte ich, dass sie mir zustimmte. Ich merkte schon, dass dieser
Fall hier eine harte Nuss sein könnte. Aber ich würde nicht Dialya Delwath
heißen, wenn ich meine Aufgabe letztendlich nicht erfüllen würde. Felix‘ Seele
gehörte schon so gut wie mir.
"Hast du Hunger?",
fragte Dad, als er nach ein paar Stunden Malerei für ihn und Seelenschlaf für
mich in mein Zimmer trat. Ein schmales Gesicht mit einem gepflegten, kurzen
Bart und braunen Augen sah zu mir und ich rieb mir die Augen, um den Schlaf
loszuwerden. Dads kinnlangen Haare waren immer hinter die Ohren gestrichen und
so starrte er mich an. Ich bemerkte, dass er das Telefon in der einen und das
Pizzabestellmenü in der anderen Hand hielt und mir lief das Wasser im Mund
zusammen. Ich nickte, kaum merklich, aber ich tat es. Mein Dad nahm das wahr
und winkte mich mit hoch. Ich schleppte mich mühsam aus dem Bett und strich
noch kurz über Jelly's Rücken. Sie schnurrte zufrieden auf, irgendwie konnte
ich ein Lächeln in ihrem Gesicht erkennen. Auch wenn Katzen nicht wirklich
grinsen konnten, wusste ich, dass sie es gerade tat, weil Jellybean eben eine
ganz besondere Katze war. Sie begleitete mich auch schon sehr viele Jahre.
"Was möchtest du?",
fragte Dad, als ich ihm gegenüber an die Kücheninsel gelehnt dastand.
"Thunfisch.", sagte
ich knapp. Ich war noch immer ein wenig beleidigt, aber das konnte mich nicht
von einer geilen Pizza abhalten.
"Ohne Zwiebeln und
Oliven?", meinte mein Dad nur. Er bestellte die Pizza und während der
Wartezeit schwiegen wir uns gegenseitig an, was auch nicht unbedingt besser
war, als streiten. Nach einer halben Stunde war die Pizza da.
"Die sieht doch gut
aus.", nahm mein Dad desinteressiert das Gespräch wieder auf.
"Niemals besser als in
Italien.", sagte ich knapp und gelangweilt. Ich biss in ein Stück Pizza
und bemerkte, dass sie gar nicht so schlecht war. Kein Italienvergleich, aber
immerhin. Ich nahm einen Teller, stapelte zwei Stück darauf und setzte mich
dann auf die Couch im Wohnzimmer. Mein Dad, John Delwath, stellte sich hinter
mich und lehnte sich an die Rückseite der Couch.
"Du bist schwierig,
Dia.", sagte er. Dia war mein Spitzname von ihm, ich hasste ihn.
"Mein Name ist Dialya,
Dad.", gab ich wütend zurück. Er strich mir über die Schulter und ging
dann wieder in die Küche. Ich schmunzelte, ob ich mich wohl bei ihm
entschuldigen sollte, aber ließ es dann doch. Nachdem ich die Pizza gegessen
hatte, ging ich ohne Dad etwas zu sagen ins Zimmer und schlief kurz danach ein.
Felix
Dialya ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ihr ruhiger Blick brannte sich in mein Hirn, was mich nicht mehr in Ruhe ließ. Sie war hübsch, zierlich und richtig nett, aber sie war auch komisch. Aber trotzdem sie schaffte es, dass Clara mir aus dem Kopf wich. Sag du es mir hatte sie mir geantwortet, als ich sie fragte ob sie psychisch labil wäre. Ich hätte das bejahen sollen, dann wäre sie jetzt sonst wo. Ich drehte mich auf den Bauch und starrte den Radiowecker an. Siebzehn. Doppelpunkt. Achtundzwanzig. Das alles leuchtete rot auf dem Wecker. Noch zwei Minuten und wir würden endlich etwas essen. Ich war hungrig. Ich war es aber auch nicht. Ich seufzte laut.
"Felix?", meine Mutter kam scheu in mein Zimmer herein, "Kommst du bitte essen?"
Ich nickte und presste mein Ohr stärker aufs Kissen.
"Dann ist gut.", sagte sie noch und verschwand aus dem Raum. Siebzehn Uhr Neunundzwanzig. Ich schleppte mich auf und lief zur Tür, als das Netztelefon im oberen Stock anfing zu klingeln. Ich nahm ab und horchte in den Hörer.
"Hallo?", fragte ich nach einer sehr langen Schweigepause. Es war keiner dran.
"Kehr?", fragte eine verzerrte Stimme.
"Ja, Hallo?“
„Ok. Du musst mir jetzt genauestens zuhören, verstanden?“
Ich wollte antworten, doch die Stimme redete einfach weiter. Warum legte ich nicht einfach auf?
„Es gibt drei Regeln bei…“, die Verbindung unterbrach, „… Verstanden?“
„Ähm.“
„Wir haben keine Zeit. Also: Regel Nummer eins: Schau ihr nicht in die Augen.“
Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Wem? Der Neuen?
„Regel Nummer zwei: Mach sie nicht wütend! Glaub mir, das ist dein sicherer Tod.“
Jetzt wurde es mir doch zu blöd, ich wollte gerade auflegen, als die Stimme energisch sagte: „Regel Nummer drei, diese Regel ist wirklich wichtig, Kehr, hör also gut zu!“, man hörte nur den Atem der Stimme und ich bewegte den Hörer langsam von meinem Ohr weg, als sie wieder ertönte.
„Verlieb dich nicht in sie.“
In wen?
„Wer ist denn da?", fragte ich schnell, weil ich endlich wissen wollte, ob das ein Telefonstreich war oder ernstgemeint, aber die Stimme legte ganz plötzlich auf. Ich starrte verängstigt auf den Hörer. War damit etwa Dialya gemeint? Vielleicht war es ja Dialya, die mich verängstigen wollte. Ich schüttelte den Kopf und versuchte meine Gedanken neu zu fassen. Ich wurde langsam paranoid wegen Dialya. Dabei kannte ich sie gerade mal einen Tag lang. Aber in der Schule beobachtete sie mich die ganze Zeit, zumindest kam mir das so vor.
"Wie war dein Tag, Süßer?", fragte meine Mom und weckte mich damit aus meinen Gedanken. Ich nickte, brachte ein kurzes „Gut“ heraus und schob mir eine Gabel mit Erbsen in den Mund. Meine Mutter lächelte zufrieden.
"Ich habe gehört, ihr hättet jemand neuen in der Klasse.", sagte mein Vater, welcher das wahrscheinlich beim Tratschkreis in seiner Kirche mitbekommen hatte. Sicher wurde schon viel gelästert über Dialya und ihre Familie. Ich tat es ja selber auch.
"Ja. Dialya heißt sie, oder so ähnlich.", antwortete ich, nachdem ich runtergeschluckt hatte. Mein Vater nickte.
"Delwath. Ihr Vater ist ein Künstler, der in Europa, Japan und Australien schon berühmt ist. Es wird gemunkelt, dass er nach Amerika gezogen ist, um auch hier Berühmtheit zu erlangen. Eben ein richtiger Nichtsnutz.", sagte mein Vater, während er heftig den Kopf schüttelte. Mein Vater war streng katholisch, was ihn dazu brachte, einfach für nichts offen zu sein. Vor allem aber hasste er Menschen, die ihr Geld nicht mit einem richtigen Job verdienten. Künstler, Musiker, etc. passten ihm gar nicht ins Konzept.
"Achja?", gab ich von mir, "Sie wirkte schon etwas komisch."
"Seine Tochter sei eine ganz Schlimme. Sie wäre schon vorbestraft und so Zeug.", sagte mein Vater etwas aufbrausend, "Halt dich von der Kleinen fern, Felix!"
Ich nickte stumm. Das musste er mir nicht zwei Mal sagen, immerhin hatte ich ja irgendwie Angst vor der Neuen.
Sag du es mir.
"Bin ich heute mit dem Abwasch dran?", fragte ich eher an meine Mom gerichtet. Mein Vater knallte die Faust auf den Tisch.
"Hör mir gefälligst zu!", schrie er und ich sah beschämt auf die Seite.
"Ich werde mit ihr nichts zu tun haben, Vater.", sagte ich, um ihn zu besänftigen, "Ich finde persönlich nicht, dass zwischen uns so etwas wie Zuneigung entstehen könnte."
Das möchte ich auch nicht.
"Ich warne dich nur. Weißt du, Teenager werden ziemlich schnell von den Bad-Girls angezogen."
Bad-Girls? Wenn man so etwas von einem Vater hört, dann klingt das nicht wirklich modern oder gar richtig.
"Ich stehe dann doch eher auf Mädchen wie Clara.", gab ich zurück und deutete nochmal auf das Geschirr, "Bin nun ich dran oder nicht?"
Meine Mutter schüttelte den Kopf.
"Nein. Heute bin ich dran. Du kannst ruhig schlafen gehen.", sagte sie noch dazu.
"Ok. Danke.", antwortete ich und nahm meinen leeren Teller in die Hand, "Darf ich den Tisch verlassen."
Mein Vater winkte mich einfach mit der Hand ab. Daraufhin verließ ich meinen Platz, stellte den Teller auf die Küchentheke und ging wieder rauf in mein Zimmer. Ich legte mich breit auf mein Bett und starrte an die Decke. Ich sollte aufhören an Dialya zu denken. Es tat mir nicht gut. Es ging mir nur schlechter, sogar schlechter als an Clara zu denken. Ich schloss die Augen, in meinen Gedanken war eine schwarze Leere, und versuchte einfach zu schlafen. Schlaf finden, das war es, was ich nun brauchte. Morgen gehe ich einfach wieder in die Schule und ich schwöre, bei Gott, Dialya wird mich nicht mehr interessieren. Sie wird einfach nur eine neue Schülerin sein, die eh nur gemobbt wird. Das hat mich letztendlich nicht zu interessieren. Immerhin hatte sie einen Künstler zum Vater und das hieß, dass sie in unserem kleinen Städtchen nicht geduldet wird. Das ist zwar traurig, aber wahr. Wer hier nicht etwas Richtiges zu arbeiten hat, der hat hier nichts zu suchen. Das wurde mir beigebracht, das werde ich weitergeben und ich werde in diesem Aberglauben sterben. Ob ich wollte oder nicht. Ich drehte mich nochmal auf die Seite, ohne die Augen zu öffnen, und schlief kurze Zeit später friedlich ein.
Sag du es mir....
Dialya & Felix ist eine Reihe von mir, bei der isch schon ziemlich weit bin. Der erste Teil hat mittlerweile ca. 360 Buchseiten, während ich bei den anderen 4 (geplanten) Teilen schon den Anfang geschrieben habe. Ich hoffe natürlich, dass ich es mal veröffentlichen kann (:
Interessiert euch Dialya & Felix näher?
Hier haben wir einen profisorischen Klappentext, die Kapitel, die ich bei weiterem Interesse poste, das bisherige, eigengestaltete Cover und mehr:
[Link]
Ich würde mich natürlich ungemein über euer Feedback freuen und hoffe natürlich auch darauf, denn von Menschen die man nicht persönlich kennt, hört man noch immer die ehrlichste Meinung.
Also hinterlasst ruhig Kommentare, ich bin Kritikfähig! ^^
Liebe Grüße
Bibi (: